Der Vertrag mit der Intendanz des Schauspielhaus Zürich wird nicht verlängert. Der Entscheid folgt auf monatelange Angriffe von rechts gegen die Diversität und die künstlerische Öffnung des Hauses. Wir fordern, dass der Entscheid revidiert wird. Denn hier entsteht ein Theater der Zukunft, in dem alle Platz finden. Wir wollen mehr davon!
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Eine Intendanz erfüllt ihren Auftrag, zieht trotz drei Jahren Pandemie eine grosse Menge Menschen ins Theater, die vorher niemals in diese Institution gegangen wären, wird international gelobt und ausgezeichnet – und dann entlassen. Was mit einer monatelangen Pressekampagne gegen den vermeintlichen «Woke-Wahn» und damit verbundener Polemik über Zuschauer:innenzahlen begann, endet nun mit der als Nicht-Vertragsverlängerung formulierten Entfernung der Intendanz des Schauspielhaus Zürich.
Wie in allen Kulturhäusern im deutschsprachigen Raum, kehrt das Publikum, nach drei Jahren Pandemie, erst jetzt allmählich zurück. Ein Abbruch, eine Neubesetzung käme wohl nicht bloss teuer, sondern wäre auch unfair: Die gehässige und überrissene öffentliche Debatte über das Budget und Zuschauer:innen-Zahlen diente einzig dazu, die mediale Häme gegen das Schauspielhaus und dessen Anspruch, ein Theater für viele zu sein, anzufeuern.
Doch an einem Stadttheater muss Platz für die Repräsentation aller Bewohner:innen der Stadt sein. Für diejenigen, die Klassiker wollen, Tanztheater lieben, und Performances; die jung oder alt sind und rebellisch oder konservativ, die unterschiedliche Geschichten, Religionen, Identitäten haben. Für Kunst, die berührt, anregt, überrascht, herausfordert. Niemand muss sich vor denjenigen fürchten, die nicht mehr ignoriert werden wollen, und zu lange in den Theaterhäusern keinen Platz fanden. Fürchten müssen wir uns vor jenen, die «Klassiker» rufen und Rückschritt meinen.
Fest steht: Das Theater braucht Erneuerung und das Schauspielhaus Zürich war auf dem besten Weg dazu. Dieser Prozess ist unangenehm für einige, die Verlust befürchten. Er hätte mehr Geduld, Begleitung durch das Kulturdepartement, Diskussionen mit den Einwohner:innen der Stadt und Offenheit benötigt. Vor allem aber: mehr Zeit.
Am Ende siegte in Zürich das Bedürfnis nach einer trügerischen Ruhe gegen die Notwendigkeit von Wandel, alte Machtstrukturen gegen diejenigen, die diese aufbrechen wollen, Mutlosigkeit gegen Mut. Der künstlerische Verlust, der dieser Stadt droht, ist gross.
Für uns ist sicher, dass der Prozess der Öffnung des Hauses und die Ausweitung des Theaterbegriffs, die die vielen Menschen, die am Schauspielhaus arbeiten, begonnen haben, fortgeführt und bestärkt werden müssen.
Liebe Entscheider:innen in der Stadt, lieber Verwaltungsrat: Unter Druck gefällte Entscheidungen können auch revidiert werden. Sich zu hinterfragen, ist kein Zeichen der Schwäche, sondern der Stärke. Hier kann ein Theater der Zukunft entstehen. Der Anfang ist gemacht: Wir wollen mehr davon!